Mittwoch, 12. November 2008

Hallo, hier spricht Gott (2)

Gott wurde in einen Raum geführt, dessen Wände aus Sichtbeton mit naiv gemalten blauen Wolken verziert worden waren – wohl um den hier verhörten Personen zu verdeutlichen, dass die Freiheit nicht grenzenlos ist. Gott wurde höflichst gebeten, hinter einem Metalltisch Platz zu nehmen, vor dem ein Zollsekretär des Flughafens an einem Computer-Terminal saß. Die Höflichkeit verdankte Gott weniger diesem Zollssekretär, noch dem Supervisor der Sicherheitskontrollen, noch dem Head of the Police, noch dem Arzt vom Roten Kreuz, die hereindrängten, sondern einem in hellgrauem 3-Knopf-Brioni-Anzug aus feinster Merino-Wolle gekleideten drahtigen Mittvierziger. Dieser Mann war Repräsentant des US-Rüstungsunternehmens HIGHSEC und hatte Höheres im Sinn: Er wollte oder musste einen Auftrag über 181 bodyscanner im Wert von 23 Millionen Euro in der EU unter Dach und Fach bringen. Jetzt war ihm Gott dazwischen gekommen.

Der Zollsekretär hob seinen Kopf über den Rand des Sichtschirms seines Computers und sagte:
„Ihren Namen bitte!“
„Gott“, sagte Gott.
„Ihren Vornamen?“
„Gott“, sagte Gott. „Ich bin Gott.“
Der Zollsekretär erhob seine Stimme und stellte ein törichte Frage:
„Ihr Geburtsdatum!“
Heute weiß jedes Kind, dass Gottes Geburt im Dunkeln liegt, und so sagte Gott denn auch:
„K. A.“
„K. A.?“
„Keine Angaben.“
Der Zollsekretär musterte Gott ernst:
„Trifft auf Sie einer der folgenden Punkte zu: Sind Sie körperlich oder geistig behindert?“
„Nein“, sagte Gott.
„Leiden Sie an einer ansteckenden Krankheit?“
„Nein“, sagte Gott.
„Sind Sie drogenabhängig?“
„Nein“, sagte Gott.
„Haben Sie jemals eine Straftat aus niederen Beweggründen begangen?“
„Nein“, sagte Gott.
„Haben Sie vor, sich an strafbaren oder unmoralischen Handlungen zu beteiligen?“
„Nein“, sagte Gott. „Außerdem: ich will nicht einreisen, sondern ausreisen.“

Der HIGHSEC-Repräsentant gab dem Security-Supervisor einen leichten Wink. Dieser ging um den Tisch herum, trat vor Gott: „Sie haben sich unseren Kontrollen auf unerklärliche Weise entzogen. Stehen Sie doch bitte auf.“ Gott stand auf, sah sehr groß aus in diesem Augenblick in seinem weiß fallendem Baumwollhemd. Der Supervisor tastete ihn ab, von unten nah oben, von oben nach unten.
“Nichts“, sagte er. „Kein Tarnanzug.“
„Wo wollten Sie denn hin?“ fragte der Arzt.
„Einfach nur weg", sagte Gott. „Abheben und weg.“
„Können Sie das begründen?“ fragte der Polizeioffizier.
„Ich war es leid, ich war euren bösen Wandel war ich leid.“

Der alerte Manager der US-Rüstungsfirma strich sich mit spitzen Fingern über seine kanariengelbe Krawatte. „Mein lieber Gott“, sagte er. „wo bleibt denn da Ihre Verantwortung? Wir müssen wissen, wie Sie unseren High-Tech-Kontrolle entkommen sind. Wir müssen verhindern, dass Sie in falsche Hände fallen. Ich meine: Wenn Sie Gott sind, dann können wir Sie nicht weglassen. Wenn Sie nicht Gott sind, dann sind Sie ein gefährlicher Spinner mit einem gravierenden genetischen Fehler, der die Wirkung unserer Terahertzwellen zwischen Radar und Infrarot zunichte macht. Eine vorläufige In-Gewahrseinnahme wäre das Mindeste.“

Zustimmendes Gemurmel der Umstehenden.

„Haben Sie darauf eine Antwort?“ fragte der Polizeioffizier.
„Es gibt eine Art zu reden, die dem Tode gleicht,“ antwortete Gott.
„Ich habe eine Antwort“, sagte der Manager. „Ich biete Ihnen einen Job in den USA zu bestem Salär.“
„Ach was!" sagte Gott.
„Ja“, sagte der Rüstungsmanager.„Sie kommen zu uns als unser Sicherheitsberater.“

Herzlich Ihr Bernd Dost

Soeben bekam ich eine e-mail aus Amsterdam: „Hallo, hier spricht Gott. Ich habe einen Job in den Vereinigten Staaten. Als guter Hirte.“

Ihr Kommentar dazu?


Freitag, 24. Oktober 2008

Hallo, hier spricht Gott (1)

Als Gott beschloss, seine alte Erde zu verlassen – müde der sich verstärkenden Angriffe auf seine Person wegen unterlassener Hilfeleistung, Unberechenbarkeit und Rachsucht, flog er von Schiphol, Amsterdam, ab. Er reihte sich geduldig ein in die lange Schlange vor den Sicherheitsschleusen, war ja seit langem bekannt als Befürworter von Kontrollen, hatte mit diesem, von seinem A-Team entwickelten Slogan GOTT HÖRT ALLES, SIEHT ALLES, WEISS ALLES internationale Bedeutung erlangt und so manchem Agnostiker und Freigeist den Garaus gemacht. 

Das Erste, was Gott bei Annäherung an die Schleuse auffiel, war die gegenüber früher veränderte Apparatur: Nicht mehr ein bogenförmiges Gestänge empfing die Reisenden sondern eine Kabine – eine Duschkabine. Die Suggestion, sogleich abgeduscht zu werden, war so groß, dass die junge Frau dort vorne nach Betreten der Duschzelle ihren Kopf sofort nach hinten warf und ihre Arme nach oben streckte, wobei sich ihr Busen wollüstig spannte. Big bumpers, hörte Gott eine männliche Stimme sagen und der Stimme folgend sah er hinten auf einem Ganzkörper-Bildschirm die junge Frau nackt abgebildet, paradiesisch nackt.

„Na sowas!“ sagte Gott.

Der Anblick rief in ihm Erinnerungen wach, wie er, der Herr, Himmel und Erde geschaffen hatte und Adam und Eva dazu, den Menschen und sein Weib, beide nackt, ihm untertan.

„Treten Sie ein“, befahl eine Stimme, und Gott folgte und trat in die Scanner-Zelle. Sein weißer Kaftan verfing sich etwas im Türrahmen. Gott hob seine Arme hoch, warf sein Gesicht nach hinten. Greller Alarm durchstieß die Kabine. Wachleute eilten wie von Sinnen umher. Einer richtete eine Pistole auf Gott, ein zweiter ein Maschinengewehr: „Bleiben Sie, wo Sie sind!“
 
Ein Klumpen aus Aufsehern und Kontrolleuren ballte sich um den Sichtschirm des bodyscanner. Der Alarm schrie so schrecklich, als verwüste eine mörderische Terrorbande den Flughafen. Jetzt bahnt sich eine Polizeistaffel den Weg. Der Alarm verstummt. Einen Moment lang ist der Blick frei für Gott: Der Bildschirm zeigt kein Bild! Obwohl Gott von elektromagnetischen Wellen abgetastet wird, ist er nicht zu sehen.

Oder dachten Sie, ER zeigt sich nackt auf einem Flughafen in einem bodyscanner?

Herzlich Ihr Bernd Dost

Soeben bekam ich ein Schreiben aus Schiphol:
„Hallo, hier spricht Gott. Ich sitze in einer Arrestzelle fest und werde gefragt, wer ich bin und wo ich hin wolle. Ich sagte, ich bin Gott und will weg von hier. Sie sagten, wenn du Gott bist, lassen wir dich nicht weg. Und wenn du nicht Gott bist, sperren wir dich ein.“

Wird fortgesetzt. Ahnen Sie, ahnst du, was weiter geschah?